Kind im Ausland – Trotzdem alleiniges Sorgerecht in Deutschland beantragen

Setzen Sie Ihren Anspruch auf alleiniges Sorgerecht auch dann vor einem deutschen Gericht durch, wenn Ihr Kind im Ausland lebt. 

Bei internationalen Ehen stellt sich oft die Frage, welches Gericht über das Sorgerecht für minderjährige Kinder entscheidet, die im Ausland leben. Wichtig wird dies auch und gerade dann, wenn bereits ein Scheidungsverfahren anhängig ist.

Grundsätzlich gilt: Für Kindschaftssachen – und damit für das Sorgerecht – sind die Gerichte am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes zuständig. Doch es gibt Ausnahmen – insbesondere bei einer drohenden oder bestehenden Kindeswohlgefährdung.

Ausnahmen vom Aufenthaltsortprinzip bei Kindeswohlgefährdung – Rechtsgrundlagen

Grundsätzlich bestimmt sich die internationale Zuständigkeit in Kindschaftssachen nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes. Dieses Aufenthaltsortprinzip findet sich etwa in Art. 8 der Brüssel-IIb-Verordnung (EU) 2019/1111, wonach die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig sind, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Von diesem Grundsatz bestehen jedoch wichtige Ausnahmen, wenn das Kindeswohl akut gefährdet ist:

  • Art. 20 Brüssel-IIb-VO ermöglicht es deutschen Gerichten, in Eil- oder Notfällen vorübergehende Schutzmaßnahmen zu ergreifen, auch wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat. Ziel ist es, Gefährdungen sofort abzuwehren, bis die eigentlich zuständigen Gerichte entscheiden können.

  • Ein ähnlicher Ansatz findet sich im Haager Kinderschutzübereinkommen (KSÜ) von 1996. Zwar liegt die Zuständigkeit grundsätzlich ebenfalls am gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes (Art. 5 ff. KSÜ). In dringenden Fällen können jedoch auch die deutschen Gerichte tätig werden und vorläufige Maßnahmen zum Schutz des Kindes anordnen.

  • Auch das deutsche nationale Recht eröffnet Handlungsmöglichkeiten:

    • Nach § 152 FamFG können Familiengerichte bei Gefahr im Verzug einstweilige Maßnahmen zum Schutz des Kindes treffen.

    • Ergänzend bestimmt § 1666 BGB, dass ein Gericht eingreifen darf, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes gefährdet ist und die Eltern nicht gewillt oder in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden.

Damit ist sichergestellt, dass im Falle einer Kindeswohlgefährdung effektiver Schutz nicht an formalen Zuständigkeitsfragen scheitert. Die deutschen Gerichte sind auch dann befugt, schnell einzugreifen, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat, solange ein akuter Handlungsbedarf besteht.

Meine Unterstützung für Sie

Ich prüfe für Sie im Detail, ob und unter welchen Voraussetzungen deutsche Familiengerichte für das Sorgerecht zuständig werden können – auch wenn die Kinder im Ausland leben. Durch meine langjährige Erfahrung im internationalen Scheidungsrecht entwickle ich für Sie eine maßgeschneiderte Strategie und vertrete Sie konsequent vor Gericht.

Fallbeispiele aus der Praxis

Kinder halten sich bereits in Deutschland auf (zunächst mit Erlaubnis des anderen Elternteils)

Ein minderjähriges Kind lebt gewöhnlich im Ausland, z. B. in Italien, Spanien oder außerhalb der EU. Es reist mit Zustimmung des ausländischen Elternteils zu Ferien nach Deutschland zur Mutter. Während dieses Aufenthalts erklärt die Mutter, mit dem Kind nicht zurückzukehren, weil der Vater im Ausland gewalttätig ist.

  • Keine Kindesentführung: Da der Aufenthalt zunächst mit Zustimmung des ausländischen Elternteils erfolgte, liegt keine widerrechtliche Verbringung im Sinne des Haager Kindesentführungsübereinkommens (HKÜ) vor.

  • Neue Zuständigkeit deutscher Gerichte: Bleibt das Kind in Deutschland und wird hier sein Lebensmittelpunkt begründet, geht die Zuständigkeit gemäß Art. 8 Brüssel-IIb-VO (bei EU-Staaten) bzw. Art. 5 KSÜ (bei Drittstaaten, die Vertragspartei sind) auf die deutschen Gerichte über. Entscheidend ist, ob sich ein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland entwickelt.

  • Kindeswohlgefährdung: Liegt eine ernsthafte Gefährdung des Kindeswohls vor (z. B. durch Gewalt im Ausland), können deutsche Gerichte nach § 1666 BGB und § 152 FamFG unmittelbar eingreifen und Schutzmaßnahmen anordnen.

  • Praktische Bedeutung: Diese Konstellation ist in der Praxis besonders wichtig, da sie den Übergang von einer rein ausländischen Zuständigkeit zu einer deutschen Gerichtszuständigkeit ermöglicht, ohne dass eine Entführung im Rechtssinne vorliegt. 

  • Scheidungsverfahren in Deutschland anhängig: In diesem Fall kann das deutsche Gericht die Frage des Sorgerechts als „Scheidungsfolgesache“ auf Antrag zusammen mit der Scheidung erledigen.

Fallbespiele verschiedene Länder

1. Kinder mit gewöhnlichem Aufenthalt in Spanien (EU-Ausland)

Eine deutsche Mutter beantragt im Rahmen der Scheidung in Deutschland das alleinige Sorgerecht, weil der Vater in Spanien gewalttätig ist.

  • Grundsatz: Zuständig wäre nach Art. 8 Brüssel-IIb-VO das spanische Gericht.

  • Ausnahme: Das deutsche Gericht kann nach Art. 20 Brüssel-IIb-VO und § 152 FamFG vorläufige Schutzmaßnahmen treffen, wenn die Gefährdung im Scheidungsverfahren erkennbar wird.

  • Langfristige Entscheidungen muss jedoch das spanische Gericht treffen.

2. Kinder mit gewöhnlichem Aufenthalt in Italien (EU-Ausland)

Ein deutsches Gericht erhält im Rahmen der Scheidung Kenntnis, dass die Kinder in Italien vom dort lebenden Elternteil vernachlässigt werden.

  • Grundsatz: Zuständig ist Italien (Art. 8 Brüssel-IIb-VO).

  • Das deutsche Gericht darf vorübergehende Maßnahmen ergreifen (Art. 20 Brüssel-IIb-VO), etwa den sofortigen Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts, wenn akute Gefahr droht.

3. Kinder mit gewöhnlichem Aufenthalt in der Türkei (Nicht-EU, KSÜ-Mitglied)

Die Kinder leben mit der Mutter in der Türkei, während der deutsche Vater in Deutschland die Scheidung einreicht und das alleinige Sorgerecht beantragt.

  • Grundsatz: Zuständig ist die Türkei (Art. 5 KSÜ).

  • Das deutsche Gericht kann nur eingreifen, wenn im Verfahren eine Kindeswohlgefährdung deutlich wird (Art. 11 KSÜ, § 1666 BGB).

  • In der Praxis wird häufig geprüft, ob eine spätere Rückführung der Kinder nach Deutschland im Raum steht.

4. Kinder mit gewöhnlichem Aufenthalt in Südafrika (Nicht-EU, KSÜ-Mitglied)

Eine deutsche Mutter beantragt das alleinige Sorgerecht in Deutschland, weil der südafrikanische Vater das Kind körperlich misshandelt.

  • Grundsatz: Zuständig ist Südafrika (Art. 5 KSÜ).

  • Das deutsche Gericht kann vorläufige Schutzmaßnahmen treffen, wenn es im Rahmen der Scheidung von der Misshandlung erfährt (Art. 11 KSÜ, § 152 FamFG).

5. Kinder mit gewöhnlichem Aufenthalt in Neuseeland (Nicht-EU, kein KSÜ-Mitglied)

Die Kinder leben mit der Mutter in Neuseeland, der deutsche Vater reicht in Deutschland die Scheidung ein.

  • Mangels KSÜ gilt hier das allgemeine deutsche Internationale Privatrecht (§§ 98, 109 FamFG i.V.m. Art. 21 EGBGB).

  • Grundsätzlich ist Neuseeland zuständig.

  • Deutsche Gerichte können dennoch im Rahmen des Scheidungsverfahrens Maßnahmen anordnen, wenn akute Kindeswohlgefährdung vorliegt (§ 1666 BGB, § 152 FamFG).

 

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